Zur Würzburger Studie

Unter der Überschrift „Die angeblich ketogene Antikrebsdiät“ beziehen sich die beiden Autoren Jacob und Weis umfassend auf eine erste Anwendungsbeobachtung aus der Universitätsklinik Würzburg: Dort wurde mit 16 austherapierten und großteils präfinalen Patienten mit Tumoren der verschiedensten Entitäten die Anwendbarkeit einer kohlenhydratreduzierten Ernährung untersucht. Die Bezeichnung „Antikrebsdiät“ ist erstaunlich, sie erscheint nirgends in der besprochenen Publikation und ist eine freie Wortwahl von Jacob und Weis.

Jacob und Weis führen in ihrem Aufsatz folgende Kritikpunkte an der Würzburger Studie auf:

  1. Nur fünf Teilnehmer beendeten die Studie, wovon nur ein Teilnehmer eine durchgängige Ketose erreichte

Dies ist korrekt. Jacob und Weis unterschlagen aber, dass diese fünf Patienten unter der ketogenen Ernährung eine „stable disease“ erreichten (Tabelle 4). Bei vier Patienten wurde im Urin nicht durchgängig eine Ketose gemessen. Dies kann durchaus daran liegen, dass das Studienprotokoll – wie in der Diskussion der Publikation dargelegt – 70 Gramm Kohlenhydrate pro Tag erlaubte. Dies ist mehr als die für eine durchgehende Ketose zulässige Kohlenhydratmenge von maximal 40-50 Gramm pro Tag. Alle Daten zum Ausscheiden aus der Studie sind in Tabelle 4 dargestellt – siehe auch Diskussion zum vierten Kritikpunkt unten.

  1. HBA1c und Triglyceride fehlen teilweise zu Studienende

Auch diese Feststellung ist korrekt. Die Blutabnahmen und Laboranalysen veranlassten die Hausärzte der Patienten, welche aus ganz Deutschland kamen. Für Krebspatienten ist es unüblich, die oben genannten Marker bei den Laboranalysen zu bestimmen, und vermutlich deshalb  forderten die Hausärzte teilweise diese Marker nicht an, entgegen der Studienanforderung. Dieser Punkt ist im Diskussionsteil der Publikation offen unter dem Aspekt „limitations of the study“ für alle Leser dargelegt.

  1. Die Patienten hätten vermehrt unter Verstopfung, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Energiemangel und Schmerzen gelitten, sowie weiter an Gewicht verloren

Dies ist korrekt, aber hier sind selektiv nur negative Aspekte dargestellt. Dem Kritikpunkt zugrunde liegt die Abbildung 4 der Publikation. Sie zeigt die gemittelte Auswertung der Lebensqualitätsfragebögen und hier sind auch deutliche positive Aspekte zu verzeichnen: bezüglich der Appetitlosigkeit (welche für so fortgeschrittene Krebserkrankungen typisch ist, wie auch im sechsten Kapitel des „Laienbuches“ ausführlich dargelegt) wurde eine Stabilisierung der Situation gesehen. Auch die für Krebspatienten oft extrem belastenden Diarrhöen verbesserten sich unter der Ernährung – was die Autoren Jacob und Weis aber nicht für erwähnenswert halten. Genausowenig erwähnen sie das verbesserte Schlafverhalten. Und gerade Schmerzen sind leider typisch für fortgeschrittene Tumorleiden. Schmerzen als Kriterium heranzuziehen, um eine Ernährungsintervention zu bewerten, ist eine ungewöhliche Wahl. Und wenn eine ketogene Diät die Schmerzen nehmen würde, DAS wäre eine tolle Sache!

  1. Ein Großteil der Patienten brach aus mehreren Gründen die Studie vorzeitig ab

Die verschiedenen Gründe für den Abbruch sind sämtlich in einer Tabelle (Tabelle 4) dargelegt: so starben zwei Patienten schon sehr früh zu Beginn der Studie aufgrund ihrer extrem präfinalen Situation. Fünf Patienten konnten die notwendige Kalorienmenge nicht aufnehmen, davon zwei wegen Kauproblemen nach massiven operativen Eingriffen in den Kieferbereich (Patienten  4 und 6), zwei wegen massiver Verdauungsprobleme bei extrem fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumoren (Patienten 10 und 15) und eine Patientin schlicht wegen räumlicher Probleme durch massiven Ascites (Bauchwasser), der den gesamten Gastrointestinaltrakt abdrückte. Alle diese fünf Patienten wurden entsprechend aus der Studie genommen, um parenteral ernährt zu werden – dies hier als Hintergrundinformation über die Publikation hinaus. In der Publikation sind die oben genannten Informationen alle der Tabelle 4 und der die Patienten beschreibenden Tabelle 1 zu entnehmen. In Tabelle 4 steht ebenfalls, dass eine Patientin die Studie vorzeitig abbrach, um aufgrund ihres wieder deutlich verbesserten Zustandes erneut eine Chemotherapie zu beginnen, wobei das Studienprotokoll dann eine Weiterführung der Diät ausschloss.

Fazit: Die Autoren Jacob und Weis hätten die Würzburger Studie auch unter dem Aspekt beschreiben können, dass von 16 Patientinnen und Patienten mit sehr weit fortgeschrittenen und großteils präfinalen Tumorleiden immerhin fünf (also praktisch ein Drittel) eine „stable disease“ erreichten und dass es einer weiteren Patientin nach sieben Wochen mit der Diät wieder so gut ging, dass sie einen kurativen Ansatz mit einer Chemotherapie angehen konnte, der vorher aufgrund des schlechten körperlichen Zustandes nicht möglich war. Rechnet man als Studienteilnehmer diejenigen elf Patientinnen und Patienten, die mindestens sechs Wochen in der Ernährungsintervention waren, dann hätten sogar sechs klar davon profitiert. Das ist allerdings angesichts des kleinen Kollektivs genau so unseriös in der Interpretation wie die negativ ausgelegte Interpretation von Jacob und Weis.

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